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Offener Brief an die Schweizer Bundespräsidentin

Offener Brief an die Schweizer Bundespräsidentin

Frau Bundespräsidentin
Simonetta Sommaruga
Bundeshaus
3003 Bern

Brunnen, den 14. März 2020

Hochgeachtete Frau Bundespräsidentin,

Wir bedanken uns fürs Schreiben vom 3.3.20 und teilen Ihre Meinung, dass es in der heutigen Politlandschaft besonders wichtig wäre «Bedenken und Fragen zur Schweizer Europapolitik zu klären».

Die letztjährige Abstimmung übers Waffenrecht hat einmal mehr die Historischen Schützen Schweiz gelehrt, dass der/die StimmbürgerIn streckenweise nur im Ansatz, wenn überhaupt,  über die wahren Konsequenzen der mit der EU abgeschlossenen und/oder verhandelten Verträge aufgeklärt wurde oder wird. Sie werden es uns nicht nachtragen, sehr geehrte Frau Bundespräsidentin, wenn wir bei Ihrem Schreiben herauslesen, dass die offizielle Schweiz im Verbund mit ihrer Administration, wie eh und je verfährt und dabei sich auch herzlich wenig um gewichtige ausländische Einschätzungen kümmert.

Zu Ihren Erläuterungen erlauben wir uns folgende Stellungnahme:

Verhältnis CH (InstA)/UK (“Political Declaration”) – EU

Vertreter der Schweiz erklären immer wieder, die CH-Stellung  im ausgehandelten InstA sei besser als jene des Vereinigten Königreichs nach der “Political Declaration». Diese Behauptung ist nicht nachvollziehbar, weil  am Ende die Entscheidungsmacht beim EuGH liegt und nicht einsehbar ist, weshalb der EuGH  die bilateralen Abkommen der EU (CH/Ukraine/GB), auch bei unterschiedlichem Wortlaut, ungleich auslegen wird.  Auf irgendwelche Unterschiede im Wortlaut wird es nicht ankommen. Das lehrt schon die Erfahrung mit dem Freihandelsabkommen.

InstA und sein „Schiedsgericht“

Das InstA-Schiedsgericht ist weder ein supranationales Überwachungsorgan noch ein  Verfassungsgericht. Hingegen ist die EU-Kommission, die nach dem InstA jederzeit einseitig das Schiedsgericht und damit faktisch den EuGH anrufen kann, sehr wohl ein supranationales Überwachungsorgan der Schweiz. Wenn Entscheide von Schweizer Gerichten nach der Auffassung der EU gegen das InstA verstossen, so kann die EU-Kommission das Schiedsgericht und damit den EuGH anrufen. Damit steht der EuGH über dem Bundesgericht.

Ob man beim Schiedsgericht von einem Briefkasten für den EuGH sprechen will, ist Geschmackssache. Dieser Begriff, den der englische Rechtsanwalt und Autor Martin Howe, QC, verwendet, beschreibt die Sachlage jedoch recht gut. Auch der norwegische Völker- und Europarechtler und ehemalige Director des Centre of European Law am Londoner King’s College, Professor Andenæs, zielt mit seiner Charakterisierung in diese Richtung.

InstA und sein Artikel 4(2)

Hartnäckig wird kolportiert, das Schiedsgericht müsse den EuGH “nur” anrufen, wenn die Beantwortung von Fragen der Auslegung und Anwendung “von EU-Recht” für die Streitbeilegung “relevant und notwendig” ist. Das trifft so nicht zu.

Der EuGH ist nach Artikel 4(2) InstA immer dann anzurufen, wenn EU-Recht “impliziert” ist. Nach allgemeiner Auffassung, auch von Befürwortern des InstA, sind damit auch Fälle erfasst, in denen es um die Auslegung von bilateralem Recht geht, das auf EU-Recht fusst. Und damit ist in aller Regel auch die Relevanz und Notwendigkeit der Anrufung des EuGH gegeben.

Wir danken Ihnen, sehr geehrte Frau Bundespräsidentin, wenn Sie sich für die faktenbasierte Orientierung der Bürger und Bürgerinnen einsetzen  und verbleiben

hochachtungsvoll

Dr. Ueli Augsburger
Dr.rer.pol. / Dipl.Ing.FH
a. Regierungsrat
Präsident

Heinz Weber
Sekretär