Unter den zwanzig historischen Gedenkschiessen sticht Bremgarten als Spezialität hervor, denn es wird auf eine exklusive Scheibe geschossen, deren höchstdotierter Treffer ein kleiner Staudenschlacht-Gedenkstein ist. Hier werden beide Ordonnanzwaffen auf ungewohnte Distanz eingesetzt: Gewehr über 200 Meter Distanz, Pistole über 30 Meter. 460 Schützen aus der Deutschschweiz genossen den sportlichen Wettbewerb.

(links; Stefan Hausheer, Präsident des Organisationskomitees, Mitte; Thierry Burkart, Nationalrat, rechts; Ueli Augsburger, Präsident der HSS)
Um eines der raren Historischen Gedenkschiessen ausrichten zu dürfen, sind zwei Bedingungen zentral: eine sehr alte Schützentradition und ein historisches Schlachtereignis. Bremgarten bietet beides: Die Schützen begannen schon zur Zeit der Burgunderkriege (1476) mit Büchsenübungen vor der Stadtmauer, die Schützengesellschaft der Stadt beruft sich indes auf die Sebastiani-Bruderschaft, deren noch vorhandene Vereinskasse mit 1680 datiert ist. Die «Schlacht in den Stauden» am 26. Mai 1712 – einem blutigen Fronleichnamstag – war eine militärische Auseinandersetzung zwischen den reformierten und katholischen Orten der Eidgenossenschaft während des Zweiten Villmergenkrieges. Aus dem Kampf, der nur gerade zwei Stunden dauerte, ging Bern als Sieger hervor. Auf dem Schlachtfeld lagen 87 tote Berner, die Verluste der lnnerschweizer beliefen sich auf über 400 Gefallene, mehrheitlich Luzerner. Der betreffende Gedenkstein steht in der Nähe des heutigen Festzentrums, der Schiessanlage Stockweiher auf dem Waffenplatz, und findet sich neckischerweise als kleines Detail auf der exklusiven Staudenschlacht-Zielscheibe wieder.
Die eigentliche Herausforderung für die Schützen ist ebenfalls interessant: auf die spezielle Scheibe ohne einen einzigen Probeschuss zwölf Schuss auf eine ungewohnte Distanz in drei Minuten abgeben. Und: Der Schütze sieht seine Scheibe erst an der Rangverlesung wieder. Denn diese wird, mit seinem Namen versehen, eingerollt und versorgt, dann kann er sie mit nach Hause nehmen
«Schützenvereine haben die Schweizer Geschichte mitgeschrieben»
Gegen Mittag war das Donnern der zweiten Staudenschlacht zu Bremgarten an der Reuss verhallt. Stefan Hausherr, Präsident des Organisationskomitees, konnte auf einen spannenden gut organisierten Wettbewerb ohne Zwischenfälle zurückblicken und lobte insbesondere die ruhige Arbeit im Auswertungsbüro. Der Vormittag sah gutes Schiesswetter, «traurig nasses Regenwetter» herrschte erst, also sich das Geschehen ins Festzelt verlagert hatte: zum Mittagessen, zum Festakt und fürs Rangverlesen. Sogar die Musikgesellschaft Hermetschwil-Staffeln konnte ihre Vorträge «am Schärme» darbieten. Stefan Hausherr nannte die historischen Schiesswettbewerbe «lebendige Denkmäler schweizerischer Werte, die die Bedeutung von Tradition, Zusammenhalt und kultureller Identität hervorheben». Schützenvereine hätten in der Schweizer Geschichte einen bedeutenden Beitrag zum nationalen Bewusstsein als Gesinnungsnation geleistet, indem sie mithalfen, kulturelle, religiöse und sprachliche Unterschiede zu überbrücken. «So sitzen heute die beiden Kontrahenten der historischen Staudenschlacht, trotz starker Bewaffnung, friedlich nebeneinander in diesem Festzelt», lobte er.
Stadtammann Raymond Tellenbach freute sich schon mal über die farbigen Standarten aus der ganzen Schweiz. Auf Schützen sei jederzeit Verlass, fügte er an. «Sie schiessen heute mitenand, nicht gegeneinander, und erst noch in die gleiche Richtung». Mit der zweiten Austragung des Gedenkschiessens an die Staudenschlacht 1712 erhob Tellenbach diesen Anlass zur Tradition.
«Sagt den Politikern, was Sicherheit für unser Land bedeutet»
Festredner Ständerat Thierry Burkart, in Baden aufgewachsen, kennt die Auswirkungen der Staudenschlacht gut. In Folge der Niederlage schleiften die Sieger den «Stein zu Baden», die Burg über der Bäderstadt, und die Badener mussten in der Stadt eine reformierte Kirche bauen. «Doch Gedenken lohnt sich», betonte Burkart. Denn es folgte ein steiniger dornenvoller Weg bis zur Gründung 1848 des liberalen Bundesstaates. «Es waren die Schützen, die das Fundament legten, das Zusammenstehen für die Freiheit gegenüber dem Staat und zum Schutz der Bürger». Selbstverantwortung und Milizprinzip seien heute wieder die wichtigsten Werte, moderner denn je. Explizit hielt Therry Burkart fest: «Immer mehr externe Regulierung unterhöhlt die Solidarität in unserem Staat. Es braucht alles Engagement für unsere demokratischen Werte gerade heute, Freiheit und Zusammenhalt».
Text: Hans Rechsteiner, Eggenwil